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Impressum

 

 5. November 2009    - Ruhestand von Klaus Klee

 

MIKROKOSMOS 2009

Das Programm 2009 der Kabarett-Gruppe

des HUMOR-MUSIK-VEREINS "Edelweiß"

gegr. 1896 Hochstadt e.V.

 

Lokales Kabarett ist ein Novum in der Region. Seit 2005 gehört das Kabarett-Projekt MIKROKOSMOS zum Repertoire der Hochstädter Humoristen. Eine gute Mischung aller Altersgruppen und vielseitiger Talente sorgt für nahezu unbegrenzte Besetzungsmöglichkeiten.

Auch handwerklich gut aufgestellt war es für die Truppe sowie äußerst aktive Humoristen eine leichte Aufgabe, in den Gemeindesaal der Evangelischen Kirchengemeinde eine multifunktionale Bühne zu zaubern und dem Saal einen Zuschnitt zugeben, der eine perfekte Kleinkunstatmosphäre schafft. 

 

Das diesjährige Programm "bis aaner weint" wurde von den Kabarett-Fans mit großem Interesse erwartet. Innerhalb von 2 Stunden waren sämtliche Eintrittskarten der drei Veranstaltungen verkauft und der Zusatzveranstaltung erging es ebenso. Es war bereits durchgesickert, dass das Programm noch politischer und sozialkritischer als in den vorangegangenen Jahren sei.

 

Aber nicht nur inhaltlich wussten die Kabarettisten des HMV zu begeistern, sie warteten auch mit Neuerungen und Überraschungen auf. Die seitliche Bühnenerweiterung um zwei Fachwerkfronten mit Fenstern übernahm eine wichtige Funktion in den Überleitungsphasen, die damit noch dynamischer und unterhaltsamer werden sollten. 

Die Bestuhlungsanordnung behielt man bei, so dass weiterhin 120 Freunde des lokalen Kabaretts Platz fanden. Auch die Beleuchtungstechnik und der Ton waren nochmals stark verbessert. So stand gelungenen Veranstaltungen nichts mehr im Weg und die Besucher konnten kommen. Sie kamen dann auch gutgelaunt und wurden dafür gut unterhalten.

 

Wer MIKROKOSMOS kennt, weiß, dass dort mit der Anreicherung trockener Themen ein Ausgleich auf anderem Gebiet einher geht, der gewaltig auf die Lachmuskeln schlägt. Sie wurden nicht enttäuscht und das Publikum fühlte sich erneut kabarettistisch sowie humoristisch verwöhnt.

Die Besucher aller vier ausverkauften Veranstaltungen waren gute Zuhörer und viele von ihnen echte Kabarettfreunde. Sie trugen das Ensemble von Beginn an auf einer Woge der Zustimmung und Begeisterung und trieben es zu immer größeren Leistungen. Damit halfen sie nicht nur den Mikrokosmonauten sondern sie selbst profitierten am meisten von den Ergebnissen der Spielfreude. Man kann feststellen: Wenn es zwischen Akteuren und Publikum eine echte Symbiose gibt, dann bei den Veranstaltungen der Gruppe MIKROKOSMOS

Bis zur letzten Minute vor den Auftritten wird im Nebenraum noch gefeilt oder meditiert, um sich in die jeweilige Rolle exakt hinein zu versetzen. Was auf der Bühne locker ankommt, ist das Resultat größter Konzentration und einer tief empfundenen Spielfreude.

Da das Programm zu facettenreich für eine umfassende und detaillierte Zeitungsberichterstattung war, unternehme ich an dieser Stelle den Versuch, für besonders interessierte Leser eine entsprechende Information bereit zu stellen. 


Alle folgenden Fotos wurden von

Fotograf "Kalle" zur Verfügung gestellt.

( superknipsi@t-online.de )


Programmfolge

 

Eingangsstück "Am Veräppeleck"

 

Alle Programme des MIKROKOSMOS beginnen bekanntlich damit, dass alle Akteure gemeinsam in einem Stück auftreten. In diesem Jahr versammelten sie sich "am Veräppeleck". Die gewinnträchtige Umwandlung großer Teile der früheren Gewerbefläche der Firma HÖHL in Bauland und der derzeitige Zustand der erschlossenen und von einer befremdlich aussehenden Lärmschutzmauer umschlossenen Baulandbrache bot sich als Anfangsstück direkt an. Am "Guckloch" der Lärmschutzwand trafen sich Bürger und Verkäufer, um sich über ihre Eindrücke auszulassen. Dabei traf das Ensemble exakt die Empfindungen des Publikums, ehe es dann "wirklich los" ging.

 

 

                   

Begrüßung

 

In diesem Jahr begrüßte Isa das Publikum auf sehr charmante und dennoch direkte Art, indem sie sich einen exakten Überblick über bestimmte Besuchergruppen verschaffte, um sie auf den richtigen Weg zu bringen. Die Handynutzer wurden schnell entlarvt und zum Entschärfen ihrer Geräte aufgefordert. Auch die Finanzen der Besucher ließ sie nochmals überprüfen, damit sie in der Pause an der Verköstigung teilnehmen könnten. Zum Schluss konstatierte sie eine recht gute Mischung, was sich im Verlauf sämtlicher Vorstellungen auch eindrucksvoll bestätigte. Mit ihrer professionellen und selbstbewussten Art setzte sie ein erstes Zeichen und ließ bereits eine Steigerung des Teams erahnen.

 

Junge Eltern

 

Erstes Highlight des Programms war eine Spielplatzszene, wie sie eindrucksvoller nicht ablaufen könnte. Ein blasiert näselnder Vater (Frank Walzer) und eine erziehungseifrige Mutter (Katja Welsch) tauschten ihre Erfahrungen über Kindererziehung aus, während sie ihre Kleinen immer wieder wortreich dirigierten. Da wurden die Kinder schon mal zur Rücksicht auf andere Kinder aufgefordert oder vor Viren im Sandkasten gewarnt. Die total schwüle Witterung sollte mit dem Erkennen des Flüssigkeitsverlustes einher gehen und das Sozialverhalten wurde immer wieder trainiert. Auch die bilinguale Erziehung demonstrierte der stolze Vater, indem plötzlich der Name "Paul" sprachlich verfremdet gerufen wurde, dem sich ein "Don´t go not so weit weg!" anschloss. 

Derber Kontrastpunkt war allerdings eine Dritte (Angela Cercas), die auf sprachlich äußerst rüde Art über den Spielplatz polterte. Es ging um "Attila", der so gar nicht hören wollte. Als sie trotz vermeintlicher Erziehungsdefizite plötzlich davon sprach, dass ihr Schützling bereits mit drei Jahren zur Schule ging, weil er so talentiert sei, hatten es die Anderen eilig und fanden den Spielplatz plötzlich als  Zeitverschwendung. Anschließend stellte sich heraus, dass "Attila" in Wirklichkeit ein Dackel ist. Die spielerische Leistung aller drei Akteure brachte den Saal zum brodeln.

 

Treue wird völlig überbewertet

 

Colin Stein und Johannes Matthias befassten sich mit einer pikanten Angelegenheit, in der eine den anderen davon überzeugen wollte, dass er mit seiner Frau schlafen solle. Der Sketch zielte auf den Konflikt schlechten Gewissens ab, der von manchen Partnern mit  seltsamen Mitteln gelöst wird. Wortreich wurden Argumente zurechtgebogen und abgekontert. Die Moral wurde dabei arg strapaziert, was letztendlich aber doch beinahe erfolgreich war. Als das letzte Bedenken, die Freundschaft zueinander könnte darunter leiden, auf den Tisch kam, schaffte der Satz "Unsere Freundschaft litt ja auch nicht, als ich mit deiner Frau geschlafen habe" unverhofft für Klarheit. Das Publikum nahm es sichtlich amüsiert.

 

Stücke am Fenster

 

Wer bis zu diesem Zeitpunkt bereits die traditionellen "Stücke im Dunklen" zwischen den Sketchen vermisst hatte, wurde jetzt mit einer Neuerung im Programm konfrontiert. Angela Cercas und Pia Jost erschienen mal alleine, mal zusammen rechts und links der Bühne an Fenstern schmucker Fachwerkfronten. Als stämmige Einheimische und als leicht überdrehte Zugezogene tauschten sie sich immer wieder über nicht so ganz Alltägliches aus, um die kurzen Umbauphasen auf der Hauptbühne zu überbrücken. Dabei erreichten die Stücke einen so hohen Unterhaltungswert, dass sie sich nicht vom Restprogramm unterschieden. Sie bewirkten zudem, dass nach Themen, bei denen man sich konzentrierte, die richtige Entspannung folgte. In den Sketchen wurden Rezepte ausgetauscht, über Körperpflege und Reinlichkeit debattiert und die Stärken und Schwächen der Ehegatten erörtert, wobei beide Frauentypen von den Akteurinnen restlos ausgereizt wurden. Das Publikum lachte Tränen.

 

 

                

 

Stadtleitbildprozess

 

Das erste kommunalpolitische Thema galt dem Stadtleitbildprozess. Der knochentrockene Stoff wurde von Gisela Jeske auf unglaublich beeindruckende Weise locker und raffiniert präsentiert. Als Teilnehmerin am Stadtleitbildprozess hatte sie die Aufgabe, ein Foto mit dem Thema "Stadt - Leut´ - Bild" zu schießen, das für den Stadtleitbildprozess stehen soll. Dabei erklärte sie, wie sie über den Prozess denkt und verglich ihn mit Consulting. Dort erfolge das nur, weil den Auftraggebern die Ideen und die Qualifikationen zur Optimierung fehle. In ihren Ausführungen verließ sie nie den Pfad, der den Quervergleich mit dem Stadtleitbildprozess zuließ. Es soll angeblich geschehen, "was die Leute schon immer wollten, wenn man sie es hätte machen lassen". So wurden dann auch alle bisherigen Ideen der Lokalen Agenda und ähnlicher Prozesse in einen Topf geworfen und mit kleinen neuen "Rosinchen" durchgeknetet, um einen vermeintlich neuen Kuchen zu backen, der anschließend für weitere 15 Jahre in der Gefriertruhe verschwinde, weil eh kein Geld da sei. Der Sketch kam sehr wirklichkeitsnah rüber, wie man an der Mimik des Bürgermeisters und des Stadtrats ablesen konnte. Die Oppositionsvertreter verfolgten es genüsslich.

 

GEMA: Geld bezahlen fürs Liedchen-Trällern

 

Wer kennt nicht die penetranten Geldeintreiber von der GEMA!? 

 

Johannes Matthias in der Rolle des jugendlichen Liedchen-Trällerers wird von der GEMA-Kontrolleurin Silvia Koffler in flagranti erwischt und zur Kasse gebeten. Ob Rolling Stones oder Deep Purple, was er auch vor sich hin pfiff, er musste zahlen. Sie verkaufte ihm sogar eine Tagesgenehmigung für jedwedes Liedgut. Als er dann etwas Klassisches pfiff, musste er erfahren, dass diese Rechte abgelaufen seien und er das hätte kostenlos pfeifen können. Besonders amüsant war dabei, wie gekonnt Johannes Matthias die Rolle ausfüllte. Silvia Koffler blieb derweil konsequent in ihrer genüsslichen Rolle des eifrigen Geldeintreibers.

 

Tai Chi-Stunde

 

Nun wurde es vermeintlich entspannend als Nina Stein und Frank Walzer zu ihren Tai Chi-Übungen ansetzten. Alsbald wurden sie von Handyklingeltönen unterbrochen. Anmutig und synchron verbanden sie ihre Übungen mit dem Griff nach dem Handy und nach allen möglichen Gegenständen, nach denen telefonisch gefragt wurde. Selbst das synchrone nach vorn Hüpfen, um besser ans Telefon zu kommen, konnte sie nicht aus der Ruhe bringen. Da wurde auch schon mal synchron in andere Taschen gegriffen, um eine Geldbörse herauszuholen. Irgendwann wurden die Störungen dann aber doch so lästig, dass man die Übungen abbrach und lieber Entspannung beim Einkaufen suchte. Eine gelungene Persiflage auf eine Zeiterscheinung, die viele Studios füllt und bei der sich nur unter ganz konsequent einzuhaltenden Bedingungen die volle Wirkung entfalten kann. Doch, wer kann das schon?

 

Europa-Wahl

 

Der ellenlange Wahlzettel der EUROPA-Wahl mit den 31 Parteien spielte die Hauptrolle, als sich die Senioren Helmut Roog und Klaus Klee trafen. Sie verballhornten die Alternativen, die bei der Wahl antraten. Dabei fanden sich für Parteien wie TIERSCHUTZ, DIE VIOLETTEN, die PIRATEN und Andere tolle Gedankenspiele. Klee stellte allerdings fest, dass es vor knapp 70 Jahren schon einmal "so eine Art" vereintes Europa gegeben habe, in dem wir Deutschen ganz allein bestimmt hätten, wo es lang geht und die Engländer damals auch schon nicht richtig mitgemacht hätten. So waberten die immer noch vielfach unter der Kriegsgeneration hörbaren Vorbehalte auf, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Letztendlich war man aber davon überzeugt, dass die 99 Deutschen im Europaparlament dafür sorgen würden, dass es - typisch Deutsch - nicht weniger Gesetze und Verordnungen gebe. Wo kämen wir denn da auch hin!?

 

Farbenspiel

 

In der nächsten Szene sah man sich in ein Herrenbekleidungsgeschäft versetzt. Stefan Lohr wollte ein Hemd für den Hochzeitsanzug kaufen und Colin Stein klärte ihn als Verkäufer über das Sortiment auf. Schon die erste Verwechslung von Markennamen und Farben löste eine Lachsalve aus. Besonders ausführlich wurde jedoch die Bedeutung von Farben herausgearbeitet. Der zunehmend genervte Kunde griff zum Schluss zu einem karierten Hemd, weil dort alle Farben vorhanden seien. Der Sketch lebte vom starken Kontrast der beiden Rollen und vom gespielten Unverständnis des Kunden, was permanent die Lachmuskel kräftig anregte.

 

Inga Lindström

 

Die seichten Texte und Konzepte von Fernsehserien waren die Zielscheibe des nächsten Sketches, bei dem Silvia Koffler der interessierten Katja Welsch die Systematik der Drehbücher erklärte. Als Autor springe sie für Inga Lindström ein und erstelle mühelos deren Drehbücher. Anhand eines vorgegebene Schemas erstellten sie ruckzuck eine neue Story, die verdeutlichte, wie seicht die Konzepte sind.

Es war gar nicht nötig, die Rollen zu überzeichnen, das hätte die bundesweite Normalität der Zuschauer so mancher Nachmittags- und Vorabendserie nur irritiert. Die Kabarettisten wollten Teile des Publikums nicht den Spaß an leichter Zerstreuung nehmen, wohl aber deren billige Konzepte verdeutlichen.

 

Anke´s Gemeintal Chanel

 

Ein Homeshopping-Sketch gehört in jedes MIKROKOSMOS-Programm. Samantha (Isa) und Pamela (Pia Jost) stellten das neueste Highlight ihres Maintaler Angebots vor: den Pappkamerad "Erhard". Als effektives Instrument zur Entlastung von Bürgermeister Erhard Rohrbach sei er sogar "kostenlos erhältlich - also völlig umsonst". Auch auf die erhältlichen Varianten ging man ausführlich ein. Ob mit Brauerschürze oder im Anzug, der Pappkamerad "Erhard" sei ein echter Hingucker. Mit dem Stück wurde die völlig überzogene Verwendung von Bildmaterial des Amtsinhabers in der Lokalzeitung während des Bürgermeisterwahlkampfs gegeißelt, mit dem praktisch fast jeder Verein und so manche Institution benutzt wurde. Die lebensgroße Pappfigur kann nun von jedermann ausgeliehen werden, wenn Berichte eigener Aktivitäten in der Lokalzeitung erscheinen sollen. Pappkamerad "Erhard" macht es nun möglich, ohne dass seine Leistung im Amt leidet.

 

Trompeter L.

 

Das brisanteste Stück des Programms war wohl die Satire um den ehemaligen Hochstädter Pfarrer, der in der Kirchengemeinde mit seinem Verhalten permanent für Zündstoff sorgt. Quasi in der Höhle des Löwen präsentierten Nina Stein als Journalistin und Klaus Klee als "Trompeter L." das kritische Stück, das vornehmlich auf das Spannungsfeld zwischen entgegengebrachter und ausübender Autorität abzielte. Natürlich kamen Argumente ins Spiel, die deutlich überzeichnet waren. So ist aber Satire und Kabarett - es muss beißen! 

Es war das Stück, bei dem man eine Stecknadel hätte fallen hören können und der Beitrag, der einige Gemüter später arg bewegte. Der thematische Ritt auf des Messers Klinge war ein absolutes kabarettistisches Highlight. Wie brisant es war, sah man daran, dass in der Zeitung jeder Hinweis darauf fehlte.

 

Opa und das Ehrenamt

 

Mit Helmut Roog als Großvater und Colin Stein als Enkel trafen zwei Akteure aufeinander, die eine besondere Facette des Generationenproblems auf die Schippe nahmen - die überzogen empfundene eigene Entwicklung der jungen Generation im Vergleich zum vermeintlich beschaulichen Leben im Ruhestand. Mit fürsorglichem Engagement wurde Grossvater mit einem Ehrenamt versorgt, das eigentlich gut zur Vita des beruflich aufstrebenden Enkels gepasst hätte. Im Spannungsfeld jugendlicher Frechheit und ruhiger Lebenserfahrung wurden die Klingen gekreuzt und beide waren sich lange ebenbürtig. Opa übernahm nach gewaltigen Überzeugungskünsten dann doch den Job des Parkplatzeinweisers auf Straßenfesten - der Enkel hatte vorsorglich schon mal zugesagt...! 

Das Stück glänzte infolge des Kontrastes zwischen dem trockenen Helmut Roog und dem eloquenten Colin Stein.

 

Ehrenformulierungen

 

Nach der Pause eröffneten Helmut Roog und Klaus Klee erneut den bunten Kessel der Themen. Ihr Thema war die jährliche "Routineehrung der Stadt Maintal", die eher eine Entehrung wirklicher Leistungsträger darstellt. Als Vereinsspitze berieten sie, wer denn diesmal "dran" sei und persiflierten die vielfach vergleichsweise lächerlich anmutenden Ehrungsbegründungen, mit denen jährlich wahre Heerscharen von Nadelträgern nach der Ehrung wieder in die Öffentlichkeit entlasen werden. So konnten sie sich wegen der herumliegenden Korkstopfen im Weinkeller, abgerissener  Schnipsel von Eintrittskarten und anderer Begleiterscheinungen nicht für mögliche Kandidaten entscheiden. Zum Schluss besannen sich die beiden von der Vereinsspitze darauf, sich selbst vorzuschlagen, denn das besage ja der Spruch: "Ehre, wem Ehre gebührt!" Die Begründung kam so manchem Anwesenden bekannt vor. Die breite Zustimmung des Publikums signalisierte dann auch, wie nahe die Satire der Wahrheit kam. 

 

Rechtsradikalismus

 

Bei diesem Programmpunkt wurde es betont nationalistisch. Frank Walzer brannte als rechter Demagoge ein wahres Feuerwerk fragwürdigen Gedankenguts ab, das scheinbar immer noch auf fruchtbaren Boden fällt. Stefan Lohr als springerstiefeltragender und baseballschlägerbewehrter Haudrauf wollte nicht glauben, dass sein Baseballschläger einer neuen Taktik weichen soll. Die sah  nämlich vor, ähnlich wie es andere Parteien praktizieren, Wähler mit Blumen zu überzeugen. Hierbei wurden die subtilen Praktiken der etablierten Parteien beleuchtet, denen sich auch Rechte zunehmend bedienen. Dennoch kam immer wieder die Frage auf, ob man die Wähler nicht doch lieber "wamschen" solle. Die Nummer lebte von der eindrucksvollen Darstellung der Typen und von den gekonnt überzogenen Formulierungen.

 

Die spinnen, die Weinleut´

 

Nach der vorangegangenen Kost kam dieses Nonsens-Stück genau zur rechten Zeit. Johannes Matthias als Pfälzer Weinverkäufer versuchte einen notorischen Biertrinker (Helmut Roog) von den Vorzügen seiner Weine zu überzeugen. Dabei sorgten die Informationen über Traubenfäule und Schimmelpilze, trockene und halbtrockene Sorten, den prickelnden Abgang, nachdem der Wein geatmet habe und anderes Weinchinesisch beim Biertrinker für Verwirrung und allerlei kuriose  Missverständnisse. Das Kernbedenken blieb allerdings, dass die Weinbauern die Trauben "mit de nackische Fieß" traktieren würden. Das Stück entwickelte sich zum gewaltigen Angriff auf die Bauchmuskeln, denn das Gelächter wollte kein Ende nehmen.

 

Politik nach Gutsherrenart

 

Mit dem zweiten knochentrockenen politischen Stück nahmen Isa, Klaus Klee, Frank Walzer, Johannes Matthias und Katja Welsch die Investorenpolitik bestimmter politischer Kreise Maintals auseinander. Hier bekam neben dem Bürgermeister auch der ehemalige Stadtrat Schächer noch einmal sein Fett weg. Dabei bezogen die Kabarettisten das Publikum ein, das einige Rollen zu übernehmen hatte. In interaktiver Weise waren vorbestimmte Texte nach Aufforderung in den Saal zu rufen. Die Rolle der Opposition war relativ einfach, man braucht nur mit den Achseln zu zucken. Spielerisch "lernte" das Publikum die Lektion, wie Kommunalpolitik funktioniert. Wie nahe man dabei der Wirklichkeit gekommen war, konnten Insider nachvollziehen. So blieb ein Teil des Stückes bei  manchen Besuchern in der Schwebe zwischen Wirklichkeit und dem Gefühl hängen, dass dies hoffentlich nicht die Realität ist. Auch dieser Irrtum hatte für Kundige einen besonderen Reiz.

 

Männer sind die Schwangeren

 

Wenn die Frau schwanger wird, drehen manche Männer regelrecht durch. So auch der werdende Vater (Stefan Lohr), der sich rührend um seine Frau (Nina Stein) kümmerte. Besorgt zitierte er entsprechende Lektüren, um die werdende Mutter zum fürsorglichen Verhalten gegenüber dem Ungeborenen zu bewegen. So ermutigte er im dritten Monat bereits zu Schwangerschaftsübungen und sprach mit dem Kleinen, das Ohr am Bauch der Angebeteten. Ihre abwehrenden Gesten und Argumente quittierte er mit vorauseilender Fürsorge fürs Kind, indem er meinte: "Mutti meint es nicht so...". Mit hinreißender Komik wurde verdeutlicht, dass eigentlich die Männer vielfach schwangerer sind als die Frauen. Der Damenwelt gefiel es, denn sie begleiteten das mit einem wissenden Lachen.

 

Sexualtherapie

 

Erika Berger stand beim Sketch "Sexualtherapie" Pate und Isa schlüpfte perfekt in deren Rolle, als sie das Publikum auf den Erfolg der Therapie einstimmte. Mit ihren beiden Patienten (Gisela Jeske und Stefan Lohr) stieg sie auch gleich ins Thema ein. Er - ein frei erzogener evangelischer junger Mann - und sie - eine streng erzogene junge Katholikin - tasteten sich zaghaft an das Thema Sexualität heran, wobei sie den Konflikt zwischen Empfängnisverhütung, Moral und Lust köstlich aufdröselten. Beim Punkt "erogene Zonen" konnte sich das Publikum vor Lachen nicht mehr halten. Auch praktisch Wissenswertes wurde vermittelt, denn die beiden Patienten klärten darüber auf, warum die Frau bei den ersten praktischen Annäherungen rechts sitzen sollte. Auf dieser Seite sei bei Schiesser-Unterhosen der Männer nämlich der Eingriff... - na denn! 

Beim abschließenden Gruppenversuch mit dem Publikum konnte der erhoffte Erfolg nicht erzielt werden, weil "vermutlich ein Sexmuffel die auf Berührung ausgelegte Übung unterbrochen hatte". Besser konnte man derartige Sendungen nicht auf die Schippe nehmen.

 

 

 

Schweinegrippe

 

Ein durchaus wichtiges Thema ist die Schweinegrippe. Der Schutz vor der Tröpfcheninfektion treibt landauf landab Stilblüten. Zwei Freundinnen (Katja Welsch und Silvia Koffler) arbeiteten das Thema allerdings recht eigenwillig auf. Dabei konnte man sich nicht des Verdachts erwehren, dass all die Fürsorge nicht nur der Schweinegrippe galt. Es ging nämlich tatsächlich hintergründig darum, sich gegenüber der Anderen bei einem Besuch im Eiscafè und der dortigen Männerwelt einen Vorteil zu verschaffen. So wurde die Freundin in einer hysterischen Vorsorgeorgie so verpackt, dass sie unattraktiver nicht mehr hätte sein können. Auch dieses Stück lebte wieder von der starken schauspielerischen Leistung und das Publikum war aus dem Häuschen.

 

Ehekrach-Schlusskonferenz

 

 

 

In Anlehnung an die ARD-Schlusskonferenz rund um den Fußball präsentierten die Kabarettisten eine Ehekrach-Schlusskonferenz, bei der sich Gisela Jeske und Klaus Klee eine tolle Szene lieferten. Deren Ablauf wurde während der Moderation immer wieder "angehalten", wobei die Akteure in jeweils grotesken Posen erstarrten, die das Publikum zu heftigen Reaktionen anregte. Die Moderatoren Colin Stein und Johannes Matthias kommentierten derweil den Fortgang und den Zwischenstand des Disputs, der von Silvia Koffler auf einer Ergebnistafel dokumentiert wurde. 

 

Die Argumente der beiden Streithähne waren hanebüchen, ohne je die Realität zu alltäglichen Szenen zu verlieren. Höhepunkt war die Wiederholung einer Zeitlupe, in der die verlangsamte Gestik und Sprache extrem grotesk wirkten. Dabei dürfte so mancher Schenkel im Saal blaue Flecken bekommen haben. Diese Nummer, die versöhnlich endete, hatte zwar kaum Inhalt, war aber ein echtes Highlight, weil die Spielfreude grenzenlos ausgereizt wurde.

Quatschbox

 

Mit einer "Quatschbox" endete das Programm und alle Akteure konnten sich noch einmal in einer kurzen Replik präsentieren. Getreu dem TV-Vorbild öffnete sich die Box, ein Kurzsketch lief und das Fenster schloss sich wieder. In den Sketchen wurde über das Programm philosophiert, der Männerbeauftragte der Stadt Maintal stellte sich vor, zwei Freundinnen bereiteten sich auf den abendlichen Ausgang vor, der neue Außenminister wurde mit all seinen Namen vorgestellt, während  ein anderes Ensemblemitglied vorgab, Guido Westerwelle treffen zu wollen, um dann mit einem Zwockel einen rosa Watteball ins Publikum zu schießen. Ein Anderer redete gar nichts und spritzte völlig unerwartet mit einer Wasserpistole ins verduzte Publikum, ehe die verhinderte Bürgermeisterin Katja Weitzel (Gisela Jeske) noch einmal in einer Glanzrolle erschien, um zu bedauern, dass es wieder nicht geklappt habe. Frank Walzer stand ihr schnell zur Seite und fasste das Thema in einem Lied zusammen, das er zur Gitarre vortrug. Beim Schlussrefrain kamen alle Akteure auf die Bühne, ehe die fiktive Katja Weitzel in Tränen ausbrach, um wieder nach München abzureisen. Den Spuk beendete abrupt Angela Cercas mit ihrer letzten Fensterrolle, indem sie meinte, ihr sei klar gewesen, dass es wieder so lange gehe "bis aaner weint", womit sich der Kreis schloss.

 

              

          

Fazit und Zuschauermeinungen

 

Das Ensemble und die meisten Zuschauer stuften alle vier Veranstaltungen als erfolgreich ein, auch wenn sich die Erfolgsfaktoren nicht auf den ersten Blick erschlossen. Während der Vorbereitungsphase wurde noch arg gefeilt und der Ablauf mehrfach umgestellt, damit beide Programmhälften ein bestimmtes Stimmungsprofil erhielten. Dabei orientierte sich das Team an den Empfindungen während der Proben. Doch dann kam es ganz anders. Das Programm war von der Qualität absolut ausgeglichen und unterschied sich nur durch die Thematiken und Darstellungsformen, so dass man zwei Stunden lang am oberen Level agierte. Dabei spielte auch das Publikum eine wichtige Rolle. 

 

Die MIKROKOSMONAUTEN freuen sich, dass sie inzwischen ein so tolles Publikum haben, für die der Besuch der Programme "Kult" zu sein scheint. Jeder Akteur lief auf der Woge der Zustimmung zu Höchstform auf, wodurch das Publikum natürlich am stärksten profitierte.

 

Es war immer wieder zu hören, dass dieses Programm das bisher beste gewesen sei und es sich von Leistungen professioneller Kabarettisten nicht unterschied. Ein absolutes Plus sei die Lokalbezogenheit, die andere Kabarettisten einfach nicht bringen könnten.

 

Etwas kontrovers wurde das Stück Trompeter L. diskutiert. Während viele Besucher meinten, dabei sei genau der richtige Ton getroffen worden, sahen Einzelne eine leichte Verunglimpfung der Zielperson. Hier scheiden sich allerdings die Geister, was Kabarett darf und was nicht. Im Grund genommen wurde hier nur der Konflikt zwischen entgegengebrachter und ausgeübter Autorität beleuchtet. Dies - in Bezug zur früheren Funktion gebracht -, hatte natürlich seinen besonderen Reiz. Das wurde so gespalten verstanden, wie die gesamte Gemeinde bei diesem Thema ist. Interessant ist, dass der Maintal TAGESANZEIGER diesen Programmpunkt in seiner Berichterstattung mied, wie der Teufel das Weihwasser. 

 

Eine Information am Rande: Bürgermeister Erhard Rohrbach und dessen Lebensgefährtin möchten unbedingt den "Pappkamerad Erhard" erwerben. Vielleicht soll er als wichtiges Artifakt der Stadtgeschichte ins Stadtarchiv gestellt werden!? 

An MIKROKOSMOS soll es nicht liegen!

 

Das Team

 

In diesem Jahr spielten 

Angela Cercas, Isa, Gisela Jeske, Pia Jost, Klaus Klee, Silvia Koffler, Stefan Lohr, Johannes Matthias, Colin Stein, Nina Stein, Helmut Roog, Frank Walzer und Katja Welsch.

 

hintere Reihe v.l.n.r.:

Klaus Klee, Markus Koch, Stefan Lohr, Christian Klyn, Colin Stein, Helmut Roog, Johannes Matthias, und Frank Walzer

vordere Reihe v.l.n.r.:

Gisela Jeske, Silvia Koffler, Angela Cercas, Katja Welsch, Pia Jost, und Isa

 

Stimme aus dem Off:

Katrin Koffler

 

Für Technik, Licht und Ton waren zuständig:

Martin Walzer, Fabian Dimter und Wolfgang Schäfer.

 

Bühnencrew:

Markus Koch und Christian Klyn

 

Bühnenbild:

Wilhelm Walzer

 

Ferner bedanken wir uns bei Kate Schell, Regina Kröller, Kevin Klyn und den "Old Boys des HMV" für die großartige Unterstützung.

 

 

KOMMENTAR

 

Als Leser der ersten Stunde, der täglich den Maintal TAGESANZEIGER bezieht, erinnert man sich gelegentlich daran, dass man damals zusammen mit knapp fünfzig  Mitgliedern die Zeitung abonnierte, um dem "Blättche" zu einer kostendeckenden Leserschaft zu verhelfen. Im Lauf der Jahre kamen sehr viele Vereinsmitglieder hinzu, denn man schätzt die Berichterstattung über die wesentlichen Veranstaltungen. Im Laufe der Jahre wurden die Berichte immer vereinsfreundlicher und es ist nur noch selten deftige Kritik zu lesen, weil man vermutlich die Leserschaft halten will. Das führt aber leider dazu, dass man wirklich gute Veranstaltungen nicht mehr von solchen unterscheiden kann, bei denen Lobhudeleien eine klare Absicht verfolgen. Man muss selbst dort gewesen sein, um sich seine Meinung zu bilden.

Bei so speziellen Veranstaltungen, wie denen der Gruppe MIKROKOSMOS kann sich nur ein Teil der interessierten Leser direkt informieren und ist auf die Zeitung angewiesen. Dort sind Bilder und die Kritik gleichermaßen wichtig. Wenn schon die Kritik aus verständlichen Gründen nicht auf jeden Programmpunkt eingehen kann, so müssen Bilder das Informationsangebot abrunden. Diese vermisste ich und ich  befürchte, dass sie der Sparsamkeit zum Opfer fielen. Sehr schade!

KLAUS KLEE